Kohlenhydrate sind unser wichtigster und am unmittelbarsten für den Organismus verfügbarer Energiespender. Kohlenhydrate liegen als Einfachzucker (Traubenzucker = Glucose, Fruchtzucker), Zweifachzucker (Haushalts-, Malz- und Milchzucker) und Mehrfachzucker (pflanzliche und tierische Stärke) vor. Zucker ist lebenswichtig für die Versorgung der Organe und des Gehirns, das etwa 20 % der aufgenommenen Kalorien verbraucht. Der Zuckertransport erfolgt über den Blutkreislauf. Daher hält sich der Zuckerspiegel im Blut in engen Grenzen konstant. Eine wesentliche Rolle spielt dabei das Hormon Insulin. Eine der wichtigsten Aufgaben des Insulin besteht darin, Kalorien für Notzeiten zu speichern. Die Insulinfreisetzung ist an die Mahlzeiten gebunden. Kohlenhydrate (in geringerem Maße auch Fette und Aminosäuren) bewirken die Insulinausschüttung aus der Bauchspeicheldrüse. Das Hormon weitet die Blutgefäße, räumt sozusagen die Autobahnen zu den Organen frei. Die Glykogenspeicher in der Muskulatur werden aufgefüllt und die Muskelregeneration angeregt. 80 % des aus der Mahlzeit aufgenommenen Zuckers landet in der Skelettmuskulatur. Die Leber wird angewiesen, die Zuckerherstellung aus Proteinen zu stoppen und Glykogen zu speichern. Allerdings stoppt Insulin auch die Fettverbrennung und unterstützt die Fettspeicherung. Daher fördert ein permanent erhöhter Insulinspiegel im Blut Übergewicht.
Wenn der Körper nur unzureichend auf Insulin reagiert, spricht man von Insulinresistenz, in ihrer schlimmsten Form als Diabetes bezeichnet. Die Kombination von zuckerreicher, nährstoffarmer Ernährung und fehlender Bewegung erzeugt Übergewicht und damit einhergehend Insulinresistenzen. Dabei spielt vor allem ein Übermaß an Bauchfett eine entscheidende Rolle[1]. Der Körper stumpft durch langjährige, permanente Insulinüberbelastungen ab. Der Kalorienfluss wird nur spärlich der Muskulatur als Arbeitsenergie bereitgestellt, sondern hauptsächlich als Fett endgelagert. Interessanterweise lässt sich die Insulinempfindlichkeit durch regelmäßiges Kraft- ODER Ausdauertraining bei Gesunden wie bei Diabetes-Kranken positiv beeinflussen[2].
Unsere Gesellschaft ist zuckerüberernährt. Die Folgen sind alle möglichen schrecklichen Zivilisationskrankheiten und Übergewicht. Die moderne Zivilisation hat sich kohlenhydratkonzentrierte Nahrungsmittel geschaffen, die in der Natur so nicht vorkommen. Ein Schokoriegel oder fünf mittelgroße Schokokekse bestehen aus 50 Gramm Zucker[3], der Rest ist Fett. Nach deren Konsum schreckt der Blutzuckerspiegel hoch, stürzt ab und der Körper verlangt in einer Panikreaktion nach mehr (Heißhungerattacke).
Ballaststoffe[4] sind unverdauliche Kohlenhydratzusammensetzungen. Sie verzögern die Aufnahme von Zucker ins Blut, entfalten eine Sättigungswirkung durch Aufquellen im Magen und wirken im Dickdarm wohl der Entstehung von Darmkrebs entgegen. Daher sollten Sie also möglichst Vollkorn, frisches Obst und Gemüse essen. Ballaststoffe begünstigen die Ausscheidung von Cholesterin und wirken verdauungsfördernd. Allerdings bewirken Ballaststoffe bei manchen Menschen eine unangenehme Gasbildung im Darm. Und sie behindern die Aufnahme verschiedener essenzieller Nährstoffe im Darm (fettlösliche Vitamine, Kalzium, Magnesium, Eisen, Zink).
Mit dem Glykämischen Index (GI) hat sich die Ernährungswissenschaft ein Maß dafür geschaffen, wie schnell Zucker aus Lebensmitteln ins Blut übergeht. Traubenzucker wird mit einem GI von 100 definiert, Weißbrot hat 70 und ein Apfel 37. Das Konzept ist: je höher der GI, desto schlechter, denn desto schneller schießt der Zucker ins Blut ein. Allerdings kommt es auf die verzehrte Menge an. 10 g Traubenzucker haben viel geringere Auswirkungen als drei dicke Weißbrotstullen. Deshalb führte man den Begriff der Glykämischen Last (GL) ein, der den Glykämischen Index und zugleich die verwertbare Kohlenhydratmenge eines Lebensmittels verbindet. Je höher die Glykämische Last, desto höher die Insulinausschüttung. Einige Beispiele:
Sie können also mehr als ein Pfund Äpfel essen, um auf die Glykämische Last von 30 g Traubenzucker zu kommen.
Die Kohlenhydrate, die wir zu uns nehmen, stammen meist aus pflanzlicher Nahrung. Im Dünndarm wird aus dem Nahrungsbrei Zucker abgespalten. Die komplexeren Zucker werden zu einfachem Traubenzucker zerlegt, der dann dem Stoffwechsel als universaler Energieträger zur Verfügung steht, und gelangen ins Blut. Zur Speicherung werden die Glucose-Moleküle zu Glykogen aneinandergeschachtelt. Der Körper verfügt über verschiedene Glykogenspeicher: Die Leber nimmt etwa 150 g auf, die Skelettmuskulatur 500 g, bei Sportlern bis zu 1000 g. Um den Blutzuckerspiegel konstant zu halten, gibt die Leber nachts von ihrem Glykogenvorrat ab. Das in der Muskulatur gespeicherte Glykogen kann nur für den muskulären Eigenbedarf genutzt werden, steht dem restlichen Körper also nicht zur Verfügung. 1 g Glykogen lagert etwa 3 g Wasser in der Muskulatur an. Daher verliert man am Anfang einer Low-Carb-Diät (kohlenhydratreduzierte Diät) sehr schnell an Gewicht. Wenn etwa 500 g Glykogen aus den Muskeln abgebaut werden, verschwinden damit auch 1500 g Wasser, macht gesamt 2 kg Gewichtsverlust.
Um den Blutzuckerspiegel stabil zu halten, greift der Organismus zu drastischen Maßnahmen. Bei längerfristig negativer Kalorienbilanz (Diät) baut der Körper Muskelproteine ab und bildet daraus Traubenzucker.
Möglichst von der Agrar- und Nahrungsmittelproduktion unbelastete Vollkornprodukte, Gemüse und Obst mit ausreichend Ballaststoffen. Bei der Auswahl ist es von Vorteil, vor allem in Gewichtsreduktionsphasen, sich um einen stabilen Blutzuckerspiegel zu bemühen und die Tabellen von GI und GL im Hinterkopf behalten.
Hochkonzentrierte, zuckerkonzentrierte Speisen (Torte, Kekse, Schokoriegel) in großer Menge sollten die bewusste Ausnahme sein. Sie bringen den Stoffwechsel durcheinander, verlangen nach mehr und erzeugen bereits in kleinen Mengen Suchtgefühle.
Gleichmäßig zu allen Mahlzeiten, um den Körper laufend mit Nährstoffen zu versorgen. Das Dinner-cancelling (Weglassen des Abendessens) hat keinen Abnehmeffekt, außer dass es den Stoffwechsel durcheinanderbringt. Die Insulinempfindlichkeit schwankt im Tagesverlauf. Morgen schlechter, mittags am besten, abends wieder etwas abfallend.
Von Vorteil ist es, die gesteigerte Insulinempfindlichkeit NACH anstrengenden Trainings zu nutzen und eine kohlenhydratreichere Mahlzeit einzuplanen. Dies dient der raschen Auffüllung der geschmolzenen Glykogenvorräte in der Muskulatur, hat einen positiven Effekt auf die Regenerations- und Reparationsvorgänge im Körper und stimuliert das Immunsystem. Sportler sind – insbesondere wenn Sie unter Stress stehen, sich nicht gut ernähren und regenerieren – bei schweren Trainingseinheiten dem sogenannten Open-Window-Effekt ausgesetzt. Verschiedene Immunparameter sinken nach dem Training, der Körper öffnet Infektionskrankheiten sozusagen Tür und Tor. Eine Gegenmaßnahme besteht in der Aufnahme schnell verdaulicher Kohlenhydrate, etwa 30 bis 60 Gramm, in flüssiger Form vielleicht schon während des Trainings, oder unmittelbar danach[5].
[1] DGE-Info vom März 2007: http://www.dge.de/modules.php?name=News&file=print&sid=711, abgerufen am 18.04.2013
[2] Loeffelholz, Ernährungsstrategien, S. 97
[3] 50 g Zucker pro Tag steckt der Körper, auch von Zuckerkranken, weg (Loeffelholz, Ernährungsstrategien, S. 107). Die WHO empfiehlt, pro Tag höchstens 10 % der Gesamtkalorien als freien Zucker zu sich zu nehmen (http://www.who.int/entity/dietphysicalactivity/media/en/gsfao_cmo_059.pdf). Das ergibt bei einer täglichen Aufnahme von 2000 kcal 50 g Zucker. In Deutschland liegt laut Wirtschaftlicher Vereinigung Zucker der tägliche Durchschnittsverbrauch pro Kopf bei gut 90 g. Dabei ist reiner Industriezucker gemeint. Die Kohlenhydrate aus sonstigen Zuckerquellen kommen da noch oben drauf.
[4] Die DGE empfiehlt, täglich mindestens 30 g Ballastststoffe zu essen. Die Aufnahme an Kohlenhydraten sollte bei mehr als 50 % der Gesamtkalorienmenge liegen (http://www.dge.de/pdf/ws/ll-kh/01-Kohlenhydratzufuhr-in-Deutschland-DGE-Leitlinie-KH.pdf, S. 3).
Meine Nährstoffverteilung bewegt sich bei 25 – 35 % Proteine, 25 – 30 % Fett und 35 – 50 % Kohlenhydrate, fast ausschließlich aus Vollkorn, Gemüse und Obst.
[5] Aufnahmedauer verschiedener Kohlenhydrate ins Blut: